Gemeinsam gegen den Endgegner

Die Mitgliederversammlung des VfL Winterbach zeigt: Ohne Ehrenamtler würde nichts funktionieren und die Corona-Jahre haben die Abteilungen sehr unterschiedlich getroffen

Dreiunddreißigtausendsechshundertachtundzwanzig. In Zahlen: 33 628. So viele Stunden ihrer Zeit haben im vergangenen Jahr ehrenamtliche Helfer und Helferinnen für den VfL Winterbach gegeben, damit das Training in allen acht Sparten lief und der Würstchen-Verkaufsstand bei der Sportwoche, damit die Spielberichte zu den Medien kamen und beim Remstallauf möglichst jeder ins Ziel, damit beim Seniorennachmittag niemand ein leeres Glas hatte, der ein volles haben wollte, und die Belegungspläne der Sporthallen mit der Gemeinde abgesprochen waren sowie vieles mehr.

„Wir dürfen das Ehrenamt nicht vergessen“, sagt VfL-Vorstand Michael Rieger darum bei der diesjährigen Mitgliederversammlung des VfL . Was Ehrenamtliche freiwillig für Vereine leisten, kann man eigentlich gar nicht überschätzen – und doch ist es so leicht zu unterschätzen, wenn es unkonkret bleibt. Darum macht Rieger die konkrete Rechnung: 15 Vollzeitkräften entsprechen die Arbeitsstunden der Übungsleiter und der Menschen mit ehrenamtlichen Ämtern im Verein. Es werden sogar 19 bis 20, wenn man auch noch die Stunden der unzähligen Helfer addiert, die bei Veranstaltungen dabei sind – beim Brunnenfest, an Spieltagen, bei Wettkämpfen. Allein beim vorigen Weihnachtsweg kamen zum Beispiel 180 Helferstunden zusammen.

Bürgermeister Sven Müller dreht Riegers Gedanken während der Versammlung in der Vereins-Gaststätte „Zum Stelio“ noch weiter. Er habe das gerade mal ausgerechnet: Bei einem Jahresgehalt von etwa 40 000 Euro für eine Vollzeitstelle und 20 Vollzeitstellen wären das 800 000 Euro pro Jahr, die Ehrenamtler abdecken. 800 000 Euro, auf die Menschen verzichten, weil es ihnen da nicht um Gehalt geht, sondern einen Gedanken von etwas Größerem, etwas Gemeinsamem. „Die Sport-Ehrenamtler sind so wichtig im Gemeinwesen“, sagt Müller. „Alles, was sie machen, ist immer auch ein Stück Heimat. Das Gefühl kennt doch jeder, selbst, wenn der lange nicht mehr da war: Wenn du aufs Brunnenfest gehst und dir Bier und Maultaschen bei den Leichtis abholst, bist du Zuhause.“

Im Fußball gibt’s 16 Nachwuchs-Teams – der Tischtennis setzt neu auf Seniorensport

Insgesamt 2365 Mitglieder zählte der Verein 2022; das sind 131 mehr als im Jahr davor. Allerdings sind es weniger Kinder und Jugendliche als 2021 gewesen – ein Thema, das die einzelnen Sparten des VfL sehr unterschiedlich beschäftigt. Bei den Leichtis, also den Leichtathleten, ist der Zulauf in allen Altersklassen ungebrochen, berichtet Abteilungsleiter Sven Rieger. „Es gilt jetzt, die zwei Jahre Corona-Pause bei den Kindern und Jugendlichen aufzuholen. Wir arbeiten erfolgreich daran.“ Beim VfL-Fußball sind 14 Jugendteams gemeldet sowie zwei F-Juniorenteams und die Bambini bis sieben Jahre. Und in der Karate-Abteilung gibt es, erzählt Anke Ihle-Benz mit fast ungläubier Stimme, jetzt eine Warteliste, weil eine größere Nachfrage besteht, als das Trainerteam abdecken kann.

Beim Tischtennis zum Beispiel läuft es nach Corona dagegen etwas langsamer wieder an, vor allem im Jugendbereich. „Wir werden uns zusätzlich darauf konzentrieren, die Sportart als Gesundheitssport auch für Ältere bekannter zu machen“, sagt Abteilungsleiter Gerd Bückle, „vor allem unter dem Aspekt, dass sie demenziellen Entwicklungen entgegenwirken kann“.

Auch die Handball-Abteilung berichtet von Nachwuchs-Problemen, konkret bei den Frauen: Die A-Jugend hat in der nächsten Saison zu wenige Spielerinnen; die jungen Spielerinnen werden darum wohl in einer neu gemeldeten dritten Mannschaft aufgefangen. Die Abteilung kämpft aber allgemein mit Personalproblemen besonders im Herrenbereich: Die erste Mannschaft hat zu wenige Spieler und steigt ab – auch, weil sie in der vergangenen Saison immer wieder Strafen zahlen musste, weil sie zu wenige Schiedsrichter stellen konnte. Im vielbesprochenen Ehrenamt fehlt es den Handballern auch überall: Abteilungsleiter, Jugendleiter, Aktiventrainer und Jugendtrainer.

„Wir dürfen uns nicht auf dem Hinterteil ausruhen“

„Dass es den VfL Winterbach 140 Jahre gibt, ist eine Erfolgsgeschichte“, sagt Bürgermeister Müller. „Das ist ein Erfolg von allen Ehrenamtlern hier. Ich weiß, das Ehrenamt schwächelt und kränkelt gerade. Da dürfen wir uns in der Politik nicht auf dem Hinterteil ausruhen und wollen gemeinsam Lösungen erarbeiten.“

Wie die aussehen könnten, lässt er an diesem Abend offen – die Anmerkung von Vorstand Rieger, man müsste bürokratische Dinge vereinfachen und Hürden niedriger machen für den Einstieg von Jugendlichen ins Ehrenamt, geht da auch nicht an Müller, sondern in Richtung Finanzamt. Denn mit der Kommune Winterbach und dem Gemeinderat, da sind sich alle einig, hat der VfL richtig Glück: „Es gibt kurze Wege, einfache Kommunikation und wenig Bürokratie“, sagt Rieger. „Andere Vereine haben Probleme, aber wir telefonieren einfach miteinander und lösen sie.“ Zum Beispiel, als die Gemeinde den Weihnachtsmarkt nicht wegen Corona einfach abgesagt, sondern sich mit dem dezentralen Weihnachtsweg eine Lösung überlegt hat, an der dann auch der VfL beteiligt war. Das ist dann auch der eine positive Aspekt, den Rieger aus der Corona-Zeit sieht: „Wir haben uns alle gemeinsam einem Endgegner gestellt.“

Insgesamt steht der VfL Winterbach sehr gut da, vor allem finanziell: Die Investitionen des vergangenen Jahres zum Beispiel in die Umrüstung der Beleuchtungsanlage vom Kunstrasenplatz auf LED-Lampen kamen aus den Rücklagen, ein großes Minus gabs unter dem Punkt Zweckbetriebe – „Gottseidank mal wieder“, sagt Rieger, „denn Minus heißt in dem Fall: Es gab wieder Sportbetrieb!“ Und die knapp 2000 Euro Plus, die unterm Strich des Jahresabschlusses 2022 stehen, sind ziemlich genau das, was ein Sportverein haben darf.

Acht Ehrenurkunden, elf Vereinsnadeln in Gold

Wie wenig der VfL Winterbach denkbar wäre ohne Ehrenamtliche und ohne die treuen Mitglieder, sieht man aber übrigens nicht nur an den errechneten 33 628 Arbeitsstunden. Man hört und fühlt das auch aus den Worten des Ehrenvorsitzenden Henry Göckeler, als die diesjährigen Ehrungen des Vereins ankündigt: „Jeder Verein ist auf sie angewiesen, sie sind das Fundament. Sie sind wichtig für die anderen Mitglieder und für die ganze Gesellschaft.“

Die Ehrenurkunde für 50 Jahre Mitgliedschaft bekommen Rudi Hutt, Ruth Polinski, Elke Rannert, Berthold Rietgraf, Gerda Sommer, Karl-Ernst Zauser und Marlene Zauser.

Die Vereinsnadel in Gold für 40 Jahre Mitgliedschaft bekommen Jürgen Breitenbacher, Wanda Heck, Ericka Heckes, Ulrike Rieger, Heidrun Thieleke und Horst Thieleke. Für ebenfalls 40 Jahre Mitgliedschaft bekommt Alfred Göltz eine Urkunde – die Goldene Vereinsnadel hatte er bereits für besondere Verdienste erhalten.

Und mit der Vereinsnadel in Gold würdigt der Verein die besonderen Verdienste von Harald Class, Bernd Koppitz, Sven Rieger, Fritz Schiemann und Karin Triemer.

Keine Urkunde oder Nadel aber einen besondere Erwähnung gibt es von Göckeler dann noch für alle Partnerinnen und Partner, Freunde und Freundinnen und die Familien ebenjener Menschen, die sich so sehr in den VfL Winterbach einbringen: „Danke, dass ihr das ertragt“.